Neuseeland ist ein „Paradies“ für Weidetiere. Rinder, Schafe, Hirsche u.a. - alle können sie aufgrund der guten klimatischen Bedingungen ganzjährig auf der Weide gehalten werden. So beginnt eine für Tier und Mensch gute Story. Die Highland-Kuh auf dem Bild in dieser bezaubernden Landschaft steht aber nicht für die dominierende intensive Weidewirtschaft in diesem Land. Ein Rind steht in New Zealand selten allein auf der Koppel. Aber - grün ist es überall, überraschend grün am Ende des Winters und kurz ist der Rasen, wie auf einem gepflegten Golfplatz. Die Wildnis ist besiegt und wo sie sich überraschend zeigt, hat sie auf landwirtschaftlichen genutzten Flächen auch heute kaum eine Chance.
Die Story vom Auenland erzählt sich gut. Doch es gibt auch eine andere Seite des gepflegten "Grüns." Leistungsschwache Weiden werden schnell einmal abgespritzt und mit leistungsfähigen Gräsern neu eingesät.
Eine Vielfalt an Kräutern auf der Wiese findet man nur in „Hobbiton“, wo 8 Gärtner für ein perfektes Bild einer heilen Welt sorgen und der intensiven Landwirtschaft einen Spiegel vorhalten. Doch wer schaut hinein? Es ist eben in vielen Augen nur eine gelungene perfekte Inszenierung für eine gute Story, die man recht erfolgreich im Konzept "tourist farming" am movie set vermarkten kann.
Einem ähnlichen Konzept begegnet man auch im Agrodom bei Rotorua. Tiere fungieren für diese perfekte Vorstellung als gut trainierte Komparsen, allerdings mit einem großen Spaß- und Erlebnisfaktor für die Besucher.
Anders Crofoot (Federated Farmers - National Vice President) legt gerade auf die besondere Leistungsfähigkeit von Grünland mit Kräutern (trittfeste Luzerne, trittfester Rotklee, Spitzwegerich u.a.) wieder besonderen Wert. Als ein größerer Farmer setzt er sich leidenschaftlich für die weidebasierte Tierhaltung in New Zealand ein. In seinem Vortrag auf der Highland-Cattle-Konferenz zeigte er innovative Wege der Grünlandwirtschaft auf, unter dem Thema: „Gesünder und Schwerer“. Die Leistung der Tierhaltung wird dabei nicht am Gewicht des Einzeltieres gemessen, sondern am Fleischertrag der Weidefläche. Die besondere gesundheitliche Qualität von grasgefütterten Fleisch (Grass fed Beef) spielt bei seiner Begeisterung für das Grünland eine entscheidende Rolle, weil er hier in Zukunft auf dem internationalen Markt Vorteile sieht.
In die gleiche Kerbe schlug auch Tony Pearse (Producer Manager Deer Industry New Zealand). Die hohe Qualität des Hirschfleisches, das in naturnaher Weidehaltung in NZ produziert wird, ist entscheidend für den sehr erfolgreichen Absatz dieses noch jungen Agrarwirtschaftszweiges. Hirschfleisch aus New Zealand hat auch bei uns in Deutschland einen hohen Marktanteil.
Ein Aha-Effekt zum Thema "Tierwohl" war dann, als wir mit den Konferenzteilnehmern eine Deer-Farm „Edendale Station“ besuchten und die tiergerechte Fanganlage bestaunen konnten.
Bei freilebendenTieren können wenige Augenblicke genügen, um eine hohe Fleischqualität in das Gegenteil zu verwandeln. So war die Fanganlage mit geschwungenen blickdichten Treibgängen und der Fangstand mit Protektoren zum Schutz der Hirsche ausgestattet. Übrigens waren die großen Geweihe nicht nur lästiges und gefährliches Beiwerk der modernen Hirschfleischproduktion, sondern wurden gewinnbringend in den Markt der Traditionellen Chinesischen Medizin verkauft. Vielleicht gelingt es uns ja auch für die langen Hörner unserer Tiere einen Markt aufzutun?
David Soutar von einer großen Farm in Glamis, Schottland stellte die Dissertation von
Charles Bruce vor, welche die besondere Qualität von Highland-Rindfleisch gegenüber dem anderer Fleischrinderrassen bestätigt.
Mit seiner professionell aufgebauten Kreuzungszucht kann David Soutar in Glamis auf der Basis einer erstklassigen Highland-Cattle-Reinzucht eine hervorragende Beefqualität für die kommerziellen schottischen Markt erzeugen und erfolgreich vermarkten. Im milderen schottischen Winter ernten die Rinder die Steckrüben portionsweise vom Acker selbst. „Lass die Highlands für dich arbeiten“, war deshalb auch das Thema seines Vortrages auf der Konferenz, der die besondere genetische Leistung der Highland-Kühe in der Weidewirtschaft als Grundlage für eine erfolgreiche Beefproduktion in der Kreuzungszucht herausstellte.
Natürlich spielte auch die Highland-Cattle-Zucht bei diesem international Treffen in New Zealand eine gewichtige Rolle. Im Dezember 1892 kamen die ersten Tiere aus Schottland auf die Südinsel. Auf dem kargen Grasland im Regenschatten der Südalpen versprachen sich die Farmer damals mit den Highlands eine bessere Landnutzung. Schon wenige Jahre später wurden die ersten reinrassigen NZ-Zuchttiere gehandelt. Heute blickt die Neuseeländische Highland Cattle Vereinigung auf eine lange Zuchttradition zurück. Neben einigen lebenden Tieren wurde vor allem auch der Samen von bekannten Zuchtbullen aus aller Welt zur Blutauffrischung importiert. Besonders schöne Tiere durften die Konferenzteilnehmer auf ihrer Tour u.a. beim „Gralie Highland Fold“ bewundern. Und natürlich war der Besuch der Canterbury A&P Show ein besonderer Höhepunkt. Die schottischen Züchter in New Zealand führten ihre Tiere stolz auf ihre schottische Herkunft im Schottenrock vor.
Zwei Beispiele für erfolgreiche Ansätze, wie die Leidenschaft für die Tierhaltung und die Rinderzucht in die nächste Generation weiter getragen werden kann, beeindruckten mich besonders.
Beim Besuch der Familie Grant (eine alte Siedlerfamilie mit schottischer Herkunft) erlebte ich, wie der Enkelsohn seinem Großvater bei der Arbeit mit den Rindern mit großer Freude zur Hand ging. Das kleine Motorrad versüßte ihm die Weg zur Weide.
Ein anderer Junger Mann, Mark Garddyne, hilft seinem Vater mit einer Drone beim Monitoring der Weidetiere auf den ausgedehnten Weideflächen - er ist gerade 14 Jahre alt. Ganz kompetent stellte er seine Erfahrungen und Ideen den Konferenzteilnehmern vor.
Die Neuseeländischen Züchter, die diese Konferenz hervorragend vorbereitet hatten, blieben nicht bei der Beschreibung eigener Interessen und Probleme stecken, sondern wagten den Blick auf das Ganze und über den Tellerrand, um neue mögliche Wege für eine zukünftige Fleischproduktion mit der Rasse Highland Cattle aufzuzeigen. Dies war nur ein kleiner Einblick in das viel umfangreichere Programm der internationalen HC-Konferenz.
Das Highland Cattle hat sich weltweit sehr erfolgreich in der Fleischrinderzucht etabliert, weil es von seinen Wurzeln her und seiner Zuchtgeschichte genetisch die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche grünlandbasierte ganzjährige Weidehaltung mitbringt. Dies ist Grundlage für eine gute Story, die heute zur Vermarktung eines Qualitätsprodukts dazugehört. Eine Geschichte, die nicht zu Ende geschrieben ist und auch heute den nachhaltigen Einsatz von Züchtern für das Tierwohl und die naturnahe Grünlandwirtschaft braucht - nicht nur inszeniert, sondern wahr und real.
Herzlichen Dank an dieser Stelle den Organisatoren der Konferenz und der Tour für diese schönen und informativen Tage in New Zealand.
Schmerkendorf, den 05.12.2014
Andreas Bechler